Jod: Die Menge macht‘s
Wofür wir Jod brauchen
Jod (chemisch: Iod) ist für den menschlichen Organismus unentbehrlich. Jod zählt zu den essenziellen Spurenelementen. Es ist lebensnotwendig, Jod mit der Nahrung oder in Tablettenform zu sich zu nehmen, denn unser Körper kann es nicht selbst herstellen.
Am höchsten ist die Jod-Konzentration in der Schilddrüse. Hier lassen sich etwa 80 % der 10 bis 30 µg (Mikrogramm) Jod im menschlichen Körper nachweisen. Das schmetterlingsförmige Organ unterhalb des Kehlkopfes benötigt Jod für die Produktion der Schilddrüsenhormone Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4, Tetrajodthyronin). Diese sind für zahlreiche Prozesse im menschlichen Körper verantwortlich und regulieren Stoffwechsel, Wachstum und Entwicklung.
Erhält die Schilddrüse zu wenig Jod, versucht sie diesen Mangel mit Wachstum auszugleichen. Sie wuchert und es entsteht ein Kropf (Struma). Je nach Ausmaß stellen sich lokale Beschwerden ein: Druck-, Enge- oder Kloßgefühl, Schluckbeschwerden, Luftnot durch Druck auf die Luftröhre, Halsgefäße und Speiseröhre.
Jod-Versorgung in Deutschland
Jod ist in Deutschland nur in geringen Spuren in Böden und Gesteinen nachweisbar. Im Durchschnitt enthalten 1000 Gramm wasserfreier Feinboden rund 2,5 mg Jod. Lösliche Jodverbindungen werden bei der Verwitterung von Gesteinen durch Regenwasser freigesetzt oder zerfallen bei höheren Temperaturen. So gelangen sie ins Grundwasser und schließlich in die Meere.
Deutschland gilt traditionell als Jodmangelregion mit Nord-Süd-Gefälle. Weil die Böden hierzulande Jod nur in geringer Menge enthalten, sind auch die hier produzierten tierischen und pflanzlichen Agrarprodukte arm an Jod. Der Jodgehalt des Bodens ist insofern bedeutsam für die Versorgung der Bevölkerung mit natürlichem Jod.
Die geringe Jodkonzentration in Trinkwasser und Nahrung wird für die Unterversorgung mit Jod und somit für die Kropfbildung verantwortlich gemacht.
Um dem entgegenzutreten, werden Lebensmittel seit den 1980er Jahren systematisch mit Jod angereichert („Jodmangelprophylaxe“).
Zur weiteren Vorbeugung wird die Verwendung von Jodsalz (Speisesalz mit Natrium- oder Kaliumiodat versetzt) empfohlen sowie der regelmäßige Verzehr besonders jodreicher Nahrungsmittel wie Seefisch.
Weltweit sind rund 1,5 bis 2 Milliarden Menschen, vor allem in Entwicklungsländern, von Jodmangel betroffen. In Deutschland enthalten die Böden zu geringe Mengen an Jodverbindungen. Durch Jodierung von Speisesalz und Futtermitteln in der Landwirtschaft wurde die Jodversorgung verbessert. Die Jodausscheidung über den Urin (Jodurie), das zuverlässigste Kriterium zur Beurteilung der Jodversorgung, erreichte im Jodmonitoring des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS) in einer großen Stichprobe im Median 117 µg/l. Sie lag damit im unteren Bereich der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Spanne von 100 bis 200 µg/l. Damit gilt Deutschland nach WHO-Kriterien nicht mehr als Jodmangelgebiet. Dennoch bestehen in Deutschland bei 36 % der Bevölkerung ein milder und bei 21 % ein moderater bis schwerer Jodmangel. Also etwa die Hälfte der Bevölkerung nimmt weiterhin zu wenig Jod zu sich.
Daher plädieren z. B. das Bundesernährungsministerium (BMEL) oder das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) weiterhin für die flächendeckende Verwendung von jodiertem Speisesalz in Haushalt und Gastronomie, bei der Gemeinschaftsverpflegung und in der Lebensmittelherstellung.
Seit 1989 darf Jodsalz in Deutschland auf freiwilliger Basis in allen Bereichen der Lebensmittelproduktion und -verarbeitung verwendet werden. Darüber hinaus steht seit 1993 jodiertes Pökelsalz für die Wurst- und Fleischwarenherstellung zur Verfügung. Durch die Verwendung von jodiertem Speisesalz in der Lebensmittelindustrie sowie bei der gewerblichen Herstellung von Brot, Backwaren, Wurst- und Fleischwaren ließ sich der Jodgehalt ursprünglich jodarmer Lebensmittel deutlich steigern.
Mittlerweile verwenden Jodsalz rund:
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85 Prozent der Privathaushalte,
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70-80 Prozent der Gastronomiebetriebe,
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60-80 Prozent der Bäcker- und Fleischerbetriebe und
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25-30 Prozent der Lebensmittelindustrieunternehmen.
Experten gehen davon aus, dass Jugendliche und Erwachsene die empfohlene Tagesmenge von 180-200 µg Jod im Durchschnitt zu sich nehmen, wenn etwa 80 Prozent aller Lebensmittel mit Jodsalz hergestellt werden bzw. jodiertes Speisesalz in dieser Größenordnung im Haushalt verwendet wird.
Zur universellen Jodsalzverwendung in der Nahrungskette gehört auch die Jod-Anreicherung von Tierfutter. Dies führt zu teilweise deutlich erhöhten Jodkonzentrationen in tierischen Lebensmitteln, etwa in Milch und Eiern. Das Problem für den Verbraucher: Mangels einer Kennzeichnungspflicht bleiben Art und Umfang der Jodanreicherung von Tierfutter für ihn im Dunkeln.
Da auch eine Überversorgung mit Jod gesundheitliche Risiken birgt, sollte man als Obergrenze eine Jodzufuhr von 500 µg pro Tag nicht überschreiten.
Jod-Mangel oder -Überangebot: Die Schilddrüse reagiert empfindlich
Die umfassende Jod-Anreicherung von Nahrungsmitteln und Futtermitteln birgt leider aber auch erhebliche Risiken. Grundsätzlich weiß niemand genau, wie viel Jod er pro Tag mit welchem Lebensmittel aufnimmt. Dies hat weitreichende Folgen: Die Schilddrüse, der Hauptspeicherort für Jod, reagiert empfindlich auf einen Jodmangel wie auch auf ein chronisches Jod-Überangebot.
Das Tückische beim unangepassten Jodangebot: Ähnlich wie beim Bluthochdruck verlaufen die Prozesse, welche die Schilddrüse schädigen, schleichend und oft über Jahre. Wenn sich die ersten Symptome äußern, ist es meist zu spät, um die Ursachen zu beseitigen.
Jod scheint insbesondere autoimmune Krankheitsprozesse in Gang zu setzen. Darauf deutet die Zunahme von Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse wie Hashimoto Thyreoiditis oder Morbus Basedow in den Ländern, in denen eine Jodprophylaxe durchgeführt wird. Bei Menschen mit genetischer Veranlagung wirkt ein Überangebot von Jod offenbar wie ein Schalter, der die Krankheit zum Ausbruch bringt. Hashimoto-Thyreoiditis kommt in jodarmen Gegenden seltener vor als in Gegenden mit jodreicher Kost. Dieses Phänomen wurde zuerst in Japan beobachtet. In der Folge konnte in zahlreichen Ländern, wie z. B. Österreich, Niederlande oder USA, in denen eine Jodprophylaxe durchgeführt wird, ein Anstieg der Hashimoto-Thyreoiditis und des Morbus Basedow dokumentiert werden.
Wegen der chronischen autoimmunbedingten Entzündung der Schilddrüse, die zur Zeit noch nicht heilbar ist, müssen die Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis oft lebenslang Schilddrüsenhormone und Medikamente einnehmen.
Inzwischen leidet schätzungsweise ein Drittel aller Deutschen an Erkrankungen der Schilddrüse. Eine verantwortungsvolle Jodaufnahme nach den individuellen Bedürfnissen ist wichtig, um Erkrankungen der Schilddrüse zu verhindern bzw. deren Krankheitsverlauf günstig zu beeinflussen. Welche Joddosis dabei richtig ist, kann nicht pauschal beantwortet werden.
Prof. Hengstmann, ehemaliger Leiter der Schilddrüsenambulanz am Berliner Urban Krankenhaus, hat das Dilemma der Jodprophylaxe mit seinem Statement auf den Punkt gebracht:
„Für 90 % der Bevölkerung ist die Zwangsjodierung kein Problem, die restlichen 10% aber leiden darunter.“
Der durch Jodmangel bedingte Kropf (Struma) ist zwar noch immer die häufigste Erkrankung der Schilddrüse, daher profitiert dieser Personenkreis ohne Zweifel von einer jodreichen Ernährung. Auf der anderen Seite aber nimmt die Hashimoto-Thyreoiditis von Jahr zu Jahr zu, so dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis diese autoimmun bedingte chronische Entzündung der Schilddrüse den Kropf als häufigste Schilddrüsenerkrankung ablöst. Schon jetzt sind 10 % der Bevölkerung an Hashimoto-Thyreoiditis erkrankt. Da diese Autoimmunerkrankung bei den Ärzten immer noch zu wenig bekannt ist, wird Hashimoto-Thyreoiditis oft trotz jahrelangen Krankheitsverlauf mit entsprechenden Symptomen nicht diagnostiziert, so dass nur jeder fünfte Betroffene von seiner Erkrankung weiß.