Jodmangel verursacht viele Krankheiten
Ein Jodmangel kann jeden treffen – mit ernsten Folgen. Die Krankheitsbilder reichen von einer Vergrößerung der Schilddrüse (Kropf/Struma), Bildung von Knoten und Schilddrüsenkarzinomen bis hin zu schwerer körperlicher und geistiger Unterentwicklung bei Kindern, dem sogenannten Kretinismus. Dank der systematischen Jod-Versorgung, speziell auch von Frauen während der Schwangerschaft und in der Stillzeit, ist diese Krankheit in Deutschland heute sehr selten.
Anfangs kann der Jodmangel zu einer Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose) führen. Die Symptome entwickeln sich oft schleichend und sind eher unspezifisch:
- Müdigkeit
- Antriebsarmut
- gesteigertes Schlafbedürfnis
- Konzentrationsstörungen
- Kälteempfindlichkeit
- kühle, trockene, blasse Haut
- geschwollene Augenlider
- raue und heisere Stimme
Wird der Jodmangel chronisch, kommt es zu einer Vergrößerung der Schilddrüse durch vermehrte Zellteilung (Hyperplasie).
Später stellt sich aufgrund der erhöhten Syntheseleistung zur Produktion der Schilddrüsenhormone eine Vergrößerung der einzelnen Zellen (Hypertrophie) ein. Die Schilddrüse wächst.
Jodmangel in der Schwangerschaft
Jodmangel während der Schwangerschaft erhöht das Risiko für Fehl- und Totgeburten, ebenso für Fehlbildungen. Schon im Mutterleib sind die Schilddrüsenfunktion des Kindes, die frühkindliche Entwicklung des zentralen Nervensystems sowie Körperwachstum und -reifung abhängig von einer ausreichenden Jodversorgung der Mutter.
Ein Jodmangel der Mutter führt zu Jodmangel beim Fötus
Wie beim Erwachsenen kann sich auch die Schilddrüse des Ungeborenen vergrößern und einen Kropf ausbilden, wenn ihr nicht genügend Jod zur Verfügung gestellt wird. Schon eine geringe Vergrößerung der Schilddrüse verursacht unmittelbar nach der Geburt ggf. Atemstörungen und Schluckbeschwerden beim Neugeborenen. Eine mangelnde Hormonbildung beeinträchtigt zudem das Wachstum, die Knochenreifung und die Gehirnentwicklung des Kindes.
Der Jodmangel des Fötus kann unbemerkt verlaufen. Schon ein geringer Jodmangel kann bei der Mutter zu einem Mangel an jodreicherem Thyroxin (T4) führen. Die mütterliche Schilddrüse synthetisiert unter diesen Bedingungen zwar noch ausreichende Mengen des jodärmeren Trijodthyronin (T3), sodass bei der Mutter noch keine Schilddrüsenunterfunktion besteht, beim ungeborenen Kind hingegen, besteht schon durch das niedrige T4 eine Gefährdung für die Gehirnentwicklung.
Heute sehr selten, kam es in der Vergangenheit häufiger zum Kretinismus aufgrund von starkem Jodmangel. Die geistigen Entwicklungsstörungen lassen sich selbst bei frühzeitigem Behandlungsbeginn nach der Geburt mit Schilddrüsenhormonen in der Regel nicht mehr völlig rückbilden. Der Jodmangel fördert auch das Risiko für eine Fehlgeburt. Bei Frühgeborenen ist eine verzögerte Lungenreifung möglich.
Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft nur eine leichte Schilddrüsenunterfunktion hatten, weisen durchschnittlich einen etwas geringeren Intelligenzquotienten auf als Kinder von Müttern mit normaler Schilddrüsenfunktion.
Durch eine ausreichende Jodversorgung der Schwangeren lassen sich diese Folgen verhindern.
Auch nach der Entbindung ist auf eine ausreichende Jodversorgung der Mutter zu achten, um die geistige und körperliche Entwicklung des Säuglings nicht zu beeinträchtigen. Beim Stillen wird ein Mangel über die Muttermilch auf den Säugling übertragen und kann auch dann noch zu geistigen und körperlichen Entwicklungsstörungen führen. Neben einer mangelhaften Gehirnreifung und in der Folge eine verminderte intellektuelle Leistung sind v. a. auch psychomotorische Entwicklungsstörungen und Lernschwäche möglich.
Schwangere und Stillende müssen somit unbedingt ausreichend Jod zu sich nehmen.
Selbst bei Patientinnen mit Hashimoto-Thyreoiditis, empfehlen wir, in der Regel während der Schwangerschaft und der Stillzeit zusätzlich Jod (meist in Kombination mit Folsäure) in Tablettenform zu sich zu nehmen. Das Wohl des ungeborenen Kindes steht hier absolut im Vordergrund. Eine durch die Jodtherapie vorübergehende Verschlechterung der Hashimoto-Thyreoiditis der Mutter steht in keinem Verhältnis zu einem dauerhaften Hirnschaden des Kindes. Mit der regelmäßigen Kontrolle der Jodausscheidung im Urin kann die Jodtherapie zusätzlich überwacht werden.
Jodmangel führt zu Kropfbildung
Die häufigste und bekannteste Folge des Jodmangels ist die Entwicklung eines Kropfes (Struma). Die Begriffe Struma und Kropf bezeichnen eine tastbare, sichtbare oder messbare Vergrößerung der Schilddrüse. Damit ist noch keine Aussage über die Stoffwechsellage (Überfunktion, Unterfunktion oder normale Funktion) der Schilddrüse getroffen.
Die Bezeichnung „Kropf“ stammt sprachgeschichtlich vom Verb „krümmen“ ab und verweist auf die gekrümmt verlaufenden Halsvenen auf einer Struma. Ein Kropf kann prinzipiell in jedem Lebensalter entstehen. Meistens sind junge Menschen vor dem 20. Lebensjahr betroffen, besonders in der Pubertät.
Von einer Struma spricht man, sobald das Volumen der Schilddrüse größer ist als der geschlechts- und altersspezifische Normbereich.
Bei Frauen ist dies ein Schilddrüsenvolumen > 18 ml, bei Männern > 25 ml. Sichtbar ist die Schilddrüsenvergrößerung meist ab einem Volumen von etwa 40 ml. Die Schilddrüse kann gleichermaßen nach außen wie nach innen wachsen. Ein Kropf kann sich also bereits entwickeln, ohne dass man ihn äußerlich sofort erkennt.
Eine Struma stellt ein Symptom dar. Die Vergrößerung der Schilddrüse ist ein Kompensationsmechanismus: Der Körper versucht, den Jodmangel und den daraus resultierenden Mangel an Schilddrüsenhormonen auszugleichen, indem er das hormonproduzierende Gewebe vermehrt.
Die bloße Kropfbildung (Struma) alleine sagt wie bereits beschrieben noch nichts darüber aus, ob eine normale Schilddrüsenfunktion (Euthyreose), Überfunktion (Hyperthyreose) oder Unterfunktion (Hypothyreose) vorliegt.
Oft lösen Strumen keine Symptome aus. Erste Hinweise können das Vermeiden von Halsketten, Rollkragenpullover oder eine Zunahme der Kragengröße sein. Ab einer bestimmten Ausdehnung kommt es zu Druck- und Kompressionserscheinungen mit Engegefühl, Schluckbeschwerden und Luftnot.
Besteht ein Kropf über einen längeren Zeitraum, kann sich das Schilddrüsengewebe durch Umbauprozesse verändern. Mitunter entwickeln sich funktionslose Areale oder auch autonome Bezirke, die unkontrolliert Schilddrüsenhormone abgeben. Dies kann zu einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) führen.
Man unterscheidet zwei Ausprägungen von Strumen: die Struma diffusa und die Struma nodosa.
Struma diffusa durch Jodmangel
Die Schilddrüsenvergrößerung betrifft gleichmäßig die gesamte Schilddrüse. Man spricht von einer diffusen Schilddrüsenvergrößerung (Struma diffusa). In Deutschland ist ein solcher Kropf die häufigste Erkrankung des Hormonsystems, von der fast 30 % der Bevölkerung unterschiedlich stark betroffen ist. Frauen sind viermal so häufig betroffen wie Männer.
Die Wahl der Therapie fällt auf eine ausreichende Jodzufuhr. Reicht dazu eine entsprechende Ernährung nicht aus, wird der Jodmangel durch Tabletten ausgeglichen.
Bei ausreichender Jod-Versorgung bildet sich die Struma je nach Chronifizierung der Strukturveränderungen mehr oder weniger zurück. Unter Umständen ist eine zusätzliche Therapie mit Schilddrüsenhormonen notwendig, um die Struma zurückzubilden bzw. einer weiteren Vergrößerung vorzubeugen. In der Regel reicht es aus, diese Hormontherapie über einen Zeitraum von 12-18 Monaten durchzuführen. Die in Deutschland oft noch durchgeführte langfristige Therapie einer Struma mit Thyroxin ist nur notwendig, wenn es nach Absetzen der Hormontherapie trotz ausreichender Jodzufuhr wieder zu erneutem Größenwachstum der Schilddrüse kommt. Die Hormontherapie einer Struma nach einer Therapiedauer von 18 Monaten probeweise zu beenden, bietet die Chance, eine unnötige lebenslange Therapie mit Thyroxin zu verhindern.
Jodmangel fördert Knotenbildung
Wächst die Schilddrüse unregelmäßig, können sich Knoten im Schilddrüsengewebe bilden. Man spricht von einer Struma nodosa: einzelne oder mehrere Knoten, die tastbar oder bei entsprechender Größe auch sichtbar sind. Mittels Ultraschall (Sonografie) lassen sich die Knoten darstellen. Mit einer Schilddrüsen-Szintigrafie wird die Anreicherung einer vorher verabreichten, schwach radioaktiven Substanz gemessen. Damit lässt sich die Stoffwechsel-Aktivität vorhandener Knoten feststellen.
Je nachdem, wie stark ein Knoten die Substanz anreichert, spricht man von einem kalten, warmen oder heißen Knoten.
Die sogenannten „heißen Knoten“ (autonome Knoten) produzieren vermehrt Schilddrüsenhormone, unabhängig vom Bedarf. Es kommt zu einer Hyperthyreose. Typische Beschwerden sind Gewichtsabnahme, Durchfall, Nervosität, Schlafstörungen, schneller und unregelmäßiger Herzschlag, Durst und abnehmende Leistungsfähigkeit. Knoten können außerdem „warm“ sein und etwa gleichviel Hormone wie das übrige Schilddrüsengewebe produzieren.
„Kalte Knoten“ stellen hingegen (fast) keine Schilddrüsenhormone mehr her.
Knoten in der Schilddrüse sind häufig. Sie kommen zu etwa 20 % bei Personen zwischen 20 und 60 Jahren vor. Bei Menschen über 70 Jahren sogar bei jedem Zweiten. Ursache ist meist eine genetische Veranlagung, die durch chronischen Jodmangel aktiviert wird.
Geht eine Struma mit normaler oder erniedrigter Schilddrüsenfunktion einher und ist nicht bösartig, kann eine medikamentöse Therapie mit Schilddrüsenhormonen eingeleitet werden.
Eine Schilddrüsenüberfunktion macht eine Behandlung mittels Thyreostatika, Radiojodtherapie oder eine Operation notwendig. Welche dieser Therapieformen die beste ist, muss bei jedem Patienten individuell entschieden werden.
Bei Verdacht auf bösartige Veränderungen muss eine Struma operiert werden. Dies gilt auch für den Fall, dass der Kropf so groß wird, dass er die Luftröhre einengt oder den venösen Rückfluss des Blutes zum Herzen behindert. Nach der Operation wird mit der Einnahme von Schilddrüsenhormonen ein neuerlichen Strumawachstum verhindert.
Schilddrüsenkrebs durch Jodmangel
An einen chronischen Jodmangel versucht sich die Schilddrüse durch die Ausschüttung von wachstumsfördernden Faktoren anzupassen. Dabei kann es zu degenerativen Veränderungen des Organs kommen, in deren Verlauf sich Knoten bilden. Ebenso können autonome Areale entstehen, die sich vom Regelkreis zwischen Hypophyse und Schilddrüse abgekoppelt haben und nicht mehr auf die Steuerungsversuche des TSH reagieren.
Bei der Untersuchung von Knoten in der Schilddrüse ist die wichtigste Frage, ob es sich um bösartige Knoten, also Schilddrüsenkrebs handelt.
Schilddrüsenkrebs ist im Vergleich zu anderen Krebsarten eine Erkrankung von relativ jungen Menschen.
Schilddrüsenkarzinome treten vergleichsweise selten auf: Bei der großen Anzahl von Schilddrüsenknoten werden jährlich über 120.000 Schilddrüsenoperationen durchgeführt und etwa 5.000 Schilddrüsenkarzinome diagnostiziert. Schilddrüsenknoten sind also nur selten bösartig. Nur etwa 3 % der kalten Knoten sind zu einem Schilddrüsenkrebs entartet. Wird eine bösartige Veränderung frühzeitig entdeckt, sind die Heilungschancen gut. Rund 95 % der Schilddrüsenkrebse sind heilbar.
Bei verdächtigen Knoten sollte mittels Fardoppler-Ultraschall der Knoten auf eine gesteigerte Durchblutung durch pathologische Gefässbildung untersucht werden.
Eine MIDI-Szintigraphie und eine Biopsie mittels Feinnadelpunktion sind weitere Optionen zur Abklärung bei Verdacht auf Schilddrüsencarcinom. Erhärtet sich der Verdacht auf bösartige Schilddrüsenknoten, ist eine Operation der Schilddrüse notwendig. Sollte dabei Schilddrüsenkrebs gefunden werden, wird anschließend meist noch eine Radiojodtherapie durchgeführt und die Therapie mit hohen Dosen von Schilddrüsenhormonen fortgesetzt.
Brustkrebs durch Jodmangel?
Jodmangel schädigt nicht nur die Schilddrüse. Auch die Häufigkeit von Brustkrebs-Neuerkrankungen steht in Verdacht mit Jodmangel in Verbindung zu stehen.
Jod wird neben der Schilddrüse auch von der Brustdrüse aufgenommen und dort in Jod-Kasein eingebaut. Zu einem geringen Anteil wird Jod in Lipide der Zellmembran eingebaut. Es entsteht Jodlakton, welches das Wachstum von Schilddrüse und Brustdrüse reguliert.
Bei einem Jodmangel wird zu wenig Jodlakton gebildet und es kommt zu krankhaftem Zellwachstum. So wie sich in der Schilddrüse Strumen bilden können, sind auch in der Brustdrüse Wucherungen möglich.
Im Tierversuch wurde der Zusammenhang zwischen Jodzufuhr und Brustdrüsenwucherungen nachgewiesen: Ein Jodmangel förderte das Wachstum von veränderten Brustdrüsenzellen. Durch die Zufuhr von Jod ließ sich dieser Prozess umkehren: Jod und Jodlaktone griffen in die Regulation der Zellteilung ein, indem sie die Arbeit bestimmter Wachstumsfaktoren unterbanden.
Bei Tieren, die bereits an Brustkrebs litten, drängte die Gabe von jodhaltigen Meeresalgen sogar vorhandene Tumorzellen zurück.
Ähnlich verhält es sich bei humanen Brustkrebszellkulturen: Wird ihnen Jod zugeführt, so kommt es zu einer Wachstumshemmung (Proliferationshemmung) und die Brustkrebszellen sterben ab (Apoptose). Diese Ergebnisse erklären möglicherweise auch den Umstand, dass Frauen mit hohem Verzehr maritimer Nahrungsmittel und entsprechend hoher Jodzufuhr seltener an Brustkrebs erkranken.