Jod in medizinischen Anwendungen
Jod als Antiseptikum und Desinfektionsmittel
Jod wird als Antiseptikum gegen Wundinfektion und Sepsis eingesetzt. Es hemmt das Keimwachstum und ist wirksam gegen alle wichtigen Keime, die auf der Haut Entzündungen verursachen können.
Als gebräuchliches Desinfektionsmittel eignet es sich für Haut und Schleimhäute und wird deshalb zur Wundhygiene und Desinfektion vor Operationen benutzt. Es wirkt abtötend auf Bakterien (bakterizid), Pilze (fungizid), in geringem Maße auf Sporen (sporizid) und Viren (viruzid).
Früher wurde Jod in Form von Jodtinktur (Tinctura Iodi) zur Desinfektion der Haut vor chirurgischen Eingriffen sowie von kleineren Wunden verwendet. Der in der Tinktur enthaltene Alkohol verursachte jedoch ein unangenehmes Brenngefühl. Daher und wegen der allergischen Reaktionen wird Jod zur Desinfektion bzw. als Antiseptikum heute bevorzugt als Povidon-Jod (PVP-Jod) verwendet.
Povidon-Jod stellt ein Art Jod-Depot dar, das Jod nach und nach freigibt. Damit ist eine kontinuierliche Konzentration des wirksamen freien Jods über einen längeren Zeitraum gegeben. Im Vergleich zu alkoholischen Jod-Lösungen ist PVP-Jod verträglicher, weil das Jod durch die Bindung an Povidon seine reizenden Eigenschaften weitgehend verliert. Auch die Gefahr für allergische Reaktionen ist weniger groß.
Povidon-Jod wird auf der intakten äußeren Haut und auf den Schleimhäuten, z. B. vor Operationen, Probeentnahmen, Blutentnahmen oder Injektionen, angewendet, um das betreffende Gebiet zu desinfizieren.
Es eignet sich auch zur Händedesinfektion. Vor medizinischen Eingriffen im Mundbereich kommt der Wirkstoff vor allem bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem zum Einsatz.
Auch zur wiederholten, längerfristigen Behandlung eignet sich Povidon-Jod: in der Wundbehandlung, bei Verletzungen, Verbrennungen, Hautinfektionen und bei Hauterkrankungen. In der Wundbehandlung betrifft dies außer Schnitt- und Schürfwunden vor allem Unterschenkelgeschwüre (Ulcus cruris) oder Druckgeschwüre (Dekubitus). Bei Patienten mit strahlenbedingter Schleimhautentzündung findet der Wirkstoff im Rahmen einer Strahlentherapie ebenfalls Verwendung.
Jodhaltige Desinfektionsmittel bergen allerdings auch Nachteile: Sie dürfen nicht in größeren Mengen bei einer Schilddrüsenüberfunktion oder einer Hashimoto-Thyreoiditis eingesetzt werden. Außerdem erschwert die braune Färbung mitunter die Beurteilung von Wunden. Bei Kontakt mit Blut, Eiter und Wundflüssigkeit (Wundexsudat) wird das Jod inaktiviert und die desinfizierende Wirkung beeinträchtigt.
In der Zahnmedizin wird Jod in der chemischen Verbindung Jodoform verwendet: als Standard-Desinfektionsmittel zur Wundeinlage mittels Gazestreifen. Außerdem wird es als Füllpaste (mit Calziumhydroxid) in der Milchzahnwurzelfüllung benutzt.
Jod in der Nuklearmedizin
Im Rahmen der Diagnostik findet Jod als Kontrastmittel für bildgebende Verfahren Verwendung.
Bei Röntgenuntersuchungen heben Jodverbindungen bestimmte Gewebe und Organe besonders hervor.
Dazu wird vor einer Computertomografie (CT) ein jodhaltiges Kontrastmittel intravenös verabreicht.
Für eine Szintigrafie kann auch schwach radioaktives Jod appliziert werden. Bei einer solchen Untersuchung der Schilddrüse reichert sich das Kontrastmittel im Organ an und kann dort über seine Strahlung nachgewiesen werden. Diese nuklearmedizinische Methode eignet sich vor allem zur Unterscheidung kalter und heißer Knoten, außerdem zur Beurteilung von Morphologie bzw. Gewebestruktur der Schilddrüse.
Bei der Radiojodtherapie (RJT bzw. RIT), einem nuklearmedizinischen Therapieverfahren, wird Jod zur Behandlung der Schilddrüsenautonomie, des Morbus Basedow, der Schilddrüsenvergrößerung und bestimmter Formen des Schilddrüsenkrebses eingesetzt. Dabei kommen radioaktive Jod-Isotope als Radiopharmaka zum Einsatz. Das verwendete Radiopharmakon wird nur von den hormonproduzierenden Follikelzellen der Schilddrüse aufgenommen und zerstört lokal überschüssiges oder bösartiges Gewebe.
Jod im Strahlenschutz
Jod ist auch als Prophylaxe zum Schutz der Schilddrüse vorgesehen, falls es zu einem Unfall in einem Kernkraftwerk kommt. Bei der Kernspaltung entsteht neben anderen radioaktiven und nicht-radioaktiven Stoffen auch radioaktives Jod. Diese radioaktiven Jod-Isotope können sich über den Fallout einer Nuklearexplosion verbreiten.
Unser Körper behandelt radioaktives Jod ähnlich wie natürliches Jod: Nach der Aufnahme über die Atemluft wird es in der Schilddrüse eingelagert.
Die vom radioaktiven Jod ausgehende Strahlung erhöht jedoch die Wahrscheinlichkeit für Schilddrüsenkrebs, besonders bei Kindern und Jugendlichen sowie für das ungeborene Kind im Mutterleib.
Die vorherige Einnahme von Jodtabletten (Kaliumjodid-Tabletten) soll die Einlagerung von radioaktivem Jod verhindern.
Hoch dosiert eingenommen, wird die Schilddrüse mit nicht-radioaktivem Jod gesättigt. Die Sättigung verhindert weitgehend, dass radioaktives Jod in der Schilddrüse gespeichert wird. Dieser Mechanismus wird als Jodblockade bezeichnet. Entscheidend für die optimale Wirkung ist die rechtzeitige Einnahme der Jodtabletten.
Jodtabletten zur Jodblockade sind nicht zu verwechseln mit den Jodtabletten, die zur Behandlung von Schilddrüsenkrankheiten verschrieben werden.
Die Menge an Jod ist sehr unterschiedlich: In vom Arzt verschriebenen Tabletten ist sie viel zu gering für eine Jodblockade. Umgekehrt dürfen die Jodblockade-Tabletten wegen ihrer hohen Joddosis nicht zur Behandlung von Schilddrüsenkrankheiten verwendet werden.
Nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl wurde zum Schutz vor der radioaktiven Wolke nicht-radioaktives Jod an die Bevölkerung in Polen – vor allem an Kinder – verteilt. 10,5 Millionen Kinder und 7 Millionen Erwachsene wurden mit Jod behandelt. Laut Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz gab es bei den behandelten Personen keinen Anstieg bei der Häufigkeit von Schilddrüsenkrebs. In Weißrussland wurde jedoch keine Jodblockade durchgeführt. Hier trat nach der Katastrophe der Schilddrüsenkrebs bei Kindern, der sonst extrem selten vorkommt, hundertmal häufiger auf.